Umsetzung
/ Wirksamkeit des Regionalprogrammes
Die Salzburger Regionalprogramme sind als Verordnungen der
Landesregierung Instrumente der überörtlichen Raumplanung. Die neue
Programmgeneration ersetzt Verordnungen der 70er und frühen 80er Jahre. Eine
wesentliche Neuerung gegenüber den „alten“ Programmen ist, daß die
Regionen nun selbst für den Inhalt und die Qualität verantwortlich sind. Der
Gesetzgeber sieht eine starke „bottom up“-Komponente vor, die es ermöglicht,
regionale Bedürfnisse möglichst punktgenau in das Programm zu integrieren. Im
Lungau wurden die Programminhalte in den Arbeits- und Entscheidungsgremien
„Regionalbeirat“ (Vertreter von Gemeinden und Interessensverbänden) und
„Regionalversammlung“ (Bürgermeister der Region) formuliert.
Wie wirken sich nun all diese „neu“ festgelegten Ziele
und Maßnahmen konkret auf die Entwicklung der Gemeinden im Lungau aus?
Umsetzung der Regionalplanung im Rahmen der Ortsplanung
– ordnungsplanerischer Aspekt:
Als Instrument der Ordnungsplanung „lebt“ das
Regionalprogramm vor allem in seiner Umsetzung bei den örtlichen Planungen.
Konkret heißt dies, dass z.B. ein regional festgelegter „landwirtschaftlicher
Vorsorgeraum“ der landwirtschaftlichen Bewirtschaftung erst dann dauerhaft
vorbehalten bleibt, wenn er in den räumlichen Entwicklungskonzepten und Flächenwidmungsplänen
der Gemeinde als solcher übernommen und künftig von zweckfremder Nutzung
freigehalten wird. Damit wird klar, daß die Verlagerung der regionalen
Planungskompetenz auf ein Kollektiv betroffener Gemeinden sowohl Gefahren als
auch Chancen in sich birgt.
Eine Gefahr kann in der Verlockung einer „oberflächlichen“
Regionalplanung liegen. Pointiert formuliert: Warum sollten sich die Gemeinden
gerade jene Einschränkungen selbst auferlegen, die ihnen anschließend im
Rahmen der Ortsplanung hinderlich sein könnten? Dies würde z.B. für überörtliche
Siedlungsgrenzen, Grünkeile und Maßnahmen zum Freiraumschutz zutreffen. Erste
Erfahrungen haben gezeigt, dass zwar der Prozess bis zur endgültigen Festlegung
intensiver fachlicher Diskussionen bedarf und im Rahmen dieser Diskussionen oft
erst das Verständnis für die Notwendigkeit regionaler Festlegungen geschaffen
werden muss. Wurde aber der Konsens auf Basis einer regional einheitlich gültigen
Begründungsqualität erreicht, steigt die Bereitschaft der einzelnen Gemeinde
zur Umsetzung.
Eine anlassbezogene Änderung von Festlegungen im
Regionalprogramm (sowohl während der Entstehung als auch nach Verordnung) kann
vor allem dadurch vermieden werden, daß die spezifischen Kriterien für die
einzelnen Festlegungen klar nachvollziehbar sind und in der gesamten Region
gleichermaßen gelten. Es würde ja dem Gleichbehandlungsprinzip und dem Prinzip
der begründeten Planung widersprechen, wenn in 14 Gemeinden z.B. Bodengüte,
Hangneigung und Ausmaß an zusammenhängenden Flächen zur Ausweisung von
„landwirtschaftlichen Vorsorgeräumen“ geführt haben, in der fünfzehnten
Gemeinde, wo diese Kriterien ebenso gegeben sind, aber auf Gemeindeebene ein
Widerspruch absehbar ist, von einer Umsetzung des regionalen Zieles und der
entsprechenden Festlegung Abstand genommen wird. Festlegungen in
Regionalprogrammen, die unmittelbar auf die Ortsplanung Einfluss nehmen,
erfordern daher eine hohe Begründungsqualität und Konsequenz bei der
Umsetzung.
Sind zu einem bestimmten Ziel auch nach intensiver
Diskussion innerhalb des Planungsverbandes keine Kompromisse hinsichtlich der
„Planungsschärfe“ zu erwarten, äußert sich dies in eher allgemeinen, räumlich
nicht eindeutig verortbaren Zielen. Dem „bottom up“-Prinzip entsprechend,
gibt es vom Gesetzgeber hierzu keine spezifischen Vorgaben. Es wäre auch nicht
sinnvoll, über die Beteiligung des Landes am Planungsprozess bestimmte Inhalte
zu erzwingen. Somit kann und soll ein Regionalprogramm nur jene Maßnahmen
enthalten, welche die Region auch bereit ist umzusetzen. Das Regionalprogramm
spiegelt daher auch die Argumentationsqualität der am Planungsprozeß
Beteiligten wider.
Neue Chance: Frühzeitiger regionaler Konsens für künftige,
investive Maßnahmen – entwicklungsplanerischer Aspekt:
Die Wirkung des Regionalprogrammes lediglich auf Einschränkungen
im Rahmen der Ortsplanung zu reduzieren, würde dem Anspruch an die „neue
Regionalplanung“ und dem Aufwand im Planungsprozess in keiner Weise gerecht
werden. Die Motivation für Gemeinden, diesen Prozess zu starten, liegt sicher
in hohem Maße in der Chance, gleichberechtigt über regionale Projekte zu
diskutieren und mit dem Regionalprogramm eine fundierte Grundlage für den
Nachweis des regionalen Interesses - etwa für die Verwendung von Fördermitteln
- in Händen zu halten. So wurde z.B. eine geplante Schigebiets-Erschließung zu
einem Zeitpunkt ins Regionalprogramm aufgenommen, als die Realisierung noch in
weiter Ferne schien – heute hat dieses Projekt Priorität für die
infrastrukturelle Tourismusförderung.
Zu hoffen ist, daß auf Basis des
Regionalprogrammes eine regional differenzierte Förderungsstrategie zunehmend
an die Stelle der „Gießkanne“ treten wird. Spannend ist dabei, ob die zunächst
unverbindlichen Empfehlungen des Regionalprogrammes von den politischen
Entscheidungsträgern tatsächlich ernst genommen werden und ob die Region
bereit ist, mit dem von ihr selbst entwickelten Regionalprogramm zu
„arbeiten“ – d.h. es immer wieder für entsprechende Ansuchen und
Projektentwicklungen zu verwenden.
Neben den bereits erwähnten Aufgaben ergibt sich eine -
zunächst unerwartete - Wirkung des Regionalprogrammes nach „oben“ - d.h. in
Richtung landesplanerischer Überlegungen. Im Lungau ist dies beim Thema
„Beherbergungsgroßbetriebe“ Realität geworden: Die Region hat sich im
Regionalprogramm Maßnahmen für Beherbergungsgroßbetriebe überlegt, die eine
gezielte Entwicklung von Qualitätsbetten an konkreten, geeigneten Standorten
ermöglichen soll, was ohne eine Änderung des Landesentwicklungsprogrammes (LEP)
nicht möglich gewesen wäre. Nunmehr können gemäß LEP und Regionalprogramm
entsprechende Betriebe z.B. auch im Bereich Katschberg und Karneralm errichtet
werden und sind nicht mehr, wie ursprünglich im LEP vorgesehen, auf Tamsweg und
Obertauern beschränkt. Die Begründung dafür ist vor allem in der
umfangreicheren Strukturuntersuchung und der daraus abgeleiteten regionalen
Zielformulierung zu finden.
Faßt man die Erfahrungen im Rahmen der Regionalplanung
Lungau in einem Schlußsatz zusammen, so soll hier festgehalten werden, dass der
anspruchsvolle Ansatz, die Gemeinden eigenverantwortlich mit
Regionalplanungsaufgaben zu befassen, auf fruchtbaren Boden gefallen ist. Über
die „klassische“ Planung hinaus trägt die Möglichkeit eines fundierten
Lobbyings für die Region und die Chance der selbstgesteuerten
Regionsentwicklung viel zu einem neuen Bewusstsein der Gemeinden, auch über den
eigenen Kirchturm hinaus, bei.